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Ein System für alle Prozesse

Fertigungsunternehmen setzen auf integrierte ERP-Software, die bis in die Produktion reicht
Ein System für alle Prozesse

Ganz gleich ob Einzel- oder aber Serienfertigung mit vielen Varianten – die Anforderungen mittelständischer Unternehmen an ihre ERP-Software ähneln sich: Sie wollen eine möglichst hohe Integration aller Prozesse von der Materialwirtschaft bis zum Vertrieb.

Was haben kleine Dinosaurier und Schlümpfe aus Hartgummi mit großen Anlagen für die Veredelung von Holzwerkstoffen gemeinsam? Eigentlich nichts. Während eine dieser Spielzeugfiguren zu Tausenden auf den Spritzgießmaschinen der Schleich GmbH mit Sitz in Schwäbisch Gmünd produziert wird, baut die Wemhöner Surface Technologies GmbH & Co. KG, Herford, im Prinzip immer nur eine ihrer Anlagen.

Zwei mittelständische Fertigungsunternehmen in Deutschland, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Und doch haben sie eine Gemeinsamkeit. „Unser zentraler Anspruch ist es, jederzeit einen ebenso aktuellen wie übergreifenden Einblick in verschiedenste Geschäftsabläufe zu haben“, sagt Andreas Weber, Head of Operations bei Schleich. Den gleichen Anspruch hat auch Norbert Wagner, bei Wemhöner verantwortlich für DV und Organisation: „Die gesamte Prozesskette von der Konstruktion über die Produktionsplanung bis auf die Fertigungsebene müssen in einem System integriert sein.“
Beide Unternehmen haben die Prozessketten in einer ERP-Software abgebildet. Während Wemhöner schon seit acht Jahren auf die Komplettlösung Psipenta der Psipenta Software Systems GmbH, Berlin (Halle 3, Stand E13), vertraut, entschied sich Spielzeughersteller Schleich erst vor kurzem für Epicor ERP der Epicor Software Deutschland GmbH, Frankfurt/Main.
Um möglichst wenige Schnittstellen zwischen verschiedenen Anwendungen zu haben, legen die Fertigungsunternehmen Wert auf einen großen Funktionsumfang ihrer ERP-Applikation. So hat Wemhöner in Psipenta auch MES-Module wie BDE (Betriebsdatenerfassung) und PZ (Personalzeitmanagement) integriert. „Das ermöglicht uns Nachkalkulationen, Forecasts und Planungen“, erklärt Wagner. Außerdem legt er großen Wert auf die Integration der Konstruktion und Konstruktionsdaten in die Fertigung.
Um Sondermaschinenbau handelt es sich auch bei der Fritsch GmbH im unterfränkischen Markt Einersheim. Das Familienunternehmen baut Maschinen für Bäckereien wie etwa die weltweit einzige industrielle und vollautomatische Brezelschlinganlage. Eine Kombination aus zwei Standardsystemen für Warenwirtschaft und Finanzbuchhaltung hatten Fritsch verlässlich ins 21. Jahrhundert begleitet – doch mit zunehmender Unternehmensgröße machte sich die fehlende Integration der Lösungen bemerkbar. Deshalb sollte eine einheitliche Datenbasis und die durchgängige Verwendung von Artikelstammdaten die Basis für effizientere Prozesse bilden. Mit Infor10 ERP Enterprise (LN) der Infor Global Solutions Deutschland GmbH, Friedrichsthal (Halle 5, Stand C45), hat Fritsch ein integriertes ERP-System gefunden, in dem heute durch ein Projektmanagement der Status von Kundenaufträgen und Service-Projekten durchgängig abgebildet ist und so für Transparenz sorgt. Schritt für Schritt hat Fritsch die Prozesse in den Bereichen Verkauf, Produktkonfiguration, Produktion, Einkauf, Lager, Controlling, Herstellungskostenrechnung und Fibu dokumentiert und durch entsprechend Module der Infor-Software abgebildet.
Als Sondermaschinenbauer war es Fritsch wichtig, das bestehende CAD-Programm ME10 für 2D-Zeichnungen direkt mit ERP Enterprise verknüpfen zu können – ebenso wie die Tisoware-Lösung für die Erfassung von Arbeitszeiten aus den verschiedenen Produktionsbereichen. „Bei einem hoch integrierten System wird rasch deutlich, wie gut die Datenqualität tatsächlich ist“, sagt IT-Leiter Kay Bürkle. Durch die Verknüpfung von ERP Enterprise und ME10 speisen sich die weiterführenden Prozesse jetzt aus einer Datenbasis. Gleichzeitig rückt die Konstruktion näher an die Warenwirtschaftsprozesse heran.
„Die Durchgängigkeit der Daten hilft uns, den Gesamtprozess besser unter Kontrolle zu halten”, so Bürkle weiter. Das macht sich vor allem auch im Controlling bemerkbar: Dort ist man nicht mehr auf manuell extrahierte Daten aus den einzelnen Bereichen angewiesen, sondern greift auf eine zentrale Datenquelle zu. So liegen jetzt transparente Projektkostenrechnungen vor, auf deren Basis die Projektleiter ihre jeweiligen Aufträge leichter bewerten und steuern können.
Ein hohes Maß an Transparenz hinsichtlich des Material- und Kapazitätsbedarfs sowie die Möglichkeit, sich zeitunabhängig ein aktuelles, transparentes Bild des gesamtbetrieblichen Geschehens zu machen – beispielsweise durch das Verfolgen von Chargen- und Seriennummern in Echtzeit und durch die Vereinfachung des Materialeinkaufs durch ein integriertes Dispositionsverfahren – das waren auch die Ziele der Beckmann-Volmer Unternehmensgruppe. Sie hat ihre Wurzeln in der Metallverarbeitung und besteht heute aus sieben in verschiedenen Geschäftsfeldern tätigen Einzelunternehmen, die symbiotisch zueinander in Verbindung stehen. Die Gruppe setzt heute die ERP-Software Applus der Asseco Germany AG, Karlsruhe (Halle 5, Stand C36), ein. Die darin abgebildeten Prozessabläufe umfassen bei Beckmann-Volmer die Erstellung von Kundenangeboten bis zur Fakturierung, Vorkalkulation, Lagerbestandsführung, die Berechnung von Materialbedarf, Fertigungs- und Bestellvorschlägen, Fertigungsaufträgen bis zur Nachkalkulation, Kapazitätsbedarf mit der Möglichkeit eines manuellen Kapazitätsausgleichs, Einkaufsbestellungen bis Waren- beziehungsweise Rechnungseingang sowie Qualitätssicherung und eine Finanzbuchhaltungsschnittstelle zu Diamant/2.
Tief in die Produktionsprozesse hinein greift auch das ERP-System der Lemken GmbH & Co. KG. mit Sitz in Alpen bei Düsseldorf, die landwirtschaftliche Geräte produziert. Die dafür notwendigen Geschäftsprozesse steuert sie mit der ERP-Software oxaion der Oxaion AG, Ettlingen (Halle 5, Stand C17), einschließlich eines Moduls zur Produktionssteuerung und -planung (PPS). „Aus wirtschaftlichen Gründen wollen wir nur Geräte produzieren, für die es auch einen konkreten Auftrag gibt, und nicht für das Lager“, sagt Johannes Herrmann, Leiter Organisation bei Lemken. Wegen der hohen Fertigungstiefe wäre es aber zu spät, erst bei Auftragseingang mit der Herstellung der Einzelteile zu beginnen und nötige Materialien zu bestellen: Die Rheinländer könnten ihre große Lieferbereitschaft nicht aufrecht erhalten. Organisatorisch haben sie dieses Problem durch die Aufteilung der Fertigung in Teile- und Gerätefertigung gelöst. Die Teilefertigung stellt allerdings wegen der wesentlich größeren Vorlaufzeiten den Knackpunkt dar. „Diese Herausforderung meistern wir mit oxaion“, so Herrmann. Dazu hinterlegt Lemken in der ERP-Lösung eine Planung, die das System laufend automatisch mit den Kundenaufträgen verrechnet, und daraus Beschaffungs- und Fertigungsvorschläge erzeugt. Damit stellt die ERP-Software sicher, dass immer genügend Einzelteile vorhanden sind, um schnell auf Aufträge reagieren und die bestellten Geräte kurzfristig montieren zu können. Gleichzeitig ist das Unternehmen nicht gezwungen, Einzelteile auf Verdacht – und damit für das Lager – zu produzieren.
Doch nicht nur reine Einzel- und Serienfertiger haben Vorteile von integrierten ERP-Systemen, sondern auch solche Unternehmen, die beides abdecken. Die Möhlenhoff GmbH in Salzgitter gehört zu ihnen. Das Familienunternehmen stellt Produkte und Systemen für die Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik her. Rund 80 % seines Umsatzes entfallen auf das Großseriengeschäft, der Rest auf auftragsbezogene Bestellungen von Unterflurkonvektoren. Das Unternehmen wächst stark. Eine positive Entwicklung, die aber die betriebliche Software nicht mehr angemessen unterstützte. „Wir mussten handeln“, sagt Geschäftsführer Frank Geburek. Die ERP-Lösung – Proalpha der Alpha Business Solutions AG, Kaiserslautern (Halle 5, Stand B33) – deckt alle Bereiche ab; von der Materialwirtschaft über den Einkauf bis hin zum Vertrieb. Das Komplettsystem hat viele Vorteile für Möhlenhoff. Beispielsweise in der Fertigung: Dort plant das Unternehmen jetzt rollierend, und es kann seine Ressourcen, egal ob für die Einzel-, die Kleinserien- oder die Großserienfertigung, einfacher ermitteln und auch deren Nutzung besser planen. So lässt sich diese heute nach betriebswirtschaftlichen Zielvorgaben wie Liefertermintreue, Durchlaufzeiten oder Bestandsreduzierung optimieren. „Wir sind der realen Planung einen wesentlichen Schritt näher“, sagt Geburek. Und auch der Gesamtdurchsatz in der Fertigung sei jetzt höher, da sich Auftragsverschiebungen leichter vermeiden ließen.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

PPS ist Standard bei ERP, nun geht es um Transparenz

Nachgefragt

Herr Bruckmaier, sind PPS-Systeme heute noch ein Thema für die mittelständische verarbeitende Industrie?
Für die Mehrheit nicht. Von unseren Kunden im Bereich diskrete Fertigung nutzen 90 % die PPS-Funktionalitäten unseres ERP-Systems, um die eigene Produktion zu steuern. Die restlichen 10 % arbeiten neben dem ERP-System noch mit einer zusätzlichen PPS-Software, die wir mit einer Integration zu unseren Produkten auch unterstützen.
In wie fern unterscheiden sich hier die Anforderungen von Unikat-, Serien-, Lager- und Prozessfertigern?
Während Unikatfertiger neben der Produktionsplanung noch ein Projektmanagement brauchen, da sie projektbezogen produzieren und umfangreiche Tätigkeiten wie Konstruktion berücksichtigen müssen, können beispielsweise Serienfertiger über einen längeren Zeitraum relativ sicher planen. Letztere benötigen demnach nur die PPS-Funktionalität und die dazugehörigen Planzahlen, um ihre Maschinen optimal auszulasten und Liefertermine zu berechnen.
Welche weiteren ERP-Funktionalitäten werden derzeit nachgefragt?
Vor allem Module, die Transparenz schaffen und die Geschäftsprozesse absichern. Beispielsweise eine Workflowsteuerung im ERP oder eine übersichtliche Darstellung von Aufgaben, Prioritätenlisten und Statistiken. Weiterhin stehen häufig die Logistikprozesse auf dem Prüfstand.

Dahin bewegt sich ERP-Software

Folgende Entwicklungen machen Experten derzeit im ERP-Umfeld aus:
  • Neue Funktionalitäten: Die Anbieter treiben die Integration weiterer Funktionalitäten in ihre ERP-Software weiter voran, wie die gemeinsame Studie der Fraunhofer-Gesellschaft und IBM „ERP Hype Cycle. Lebenszyklusanalyse von ERP-Software“ vom Sommer 2010 belegt: Zu den Funktionen, die bislang von anderen Punktlösungen abgedeckt wurden, gehören solche für das Customer Relationship Management, die operativen Projektsteuerungsprozesse und das Anlagen- und Investitionsmanagement.
  • Offene Systemarchitekturen: „Angesichts der hohen Entwicklungskosten bei individuellen Lösungen werden offene Systemarchitekturen von den ERP-Kunden positiv bewertet“, sagt Claudia Ott, Beraterin bei der Fraunhofer-Gesellschaft. Der Begriff offene Systemarchitekturen steht dabei für serviceorientierte Architekturen (SOA). Die Idee dahinter: Mit Kapselungen und über Schnittstellen bedienbare Services ermöglichen erweiterte Freiheitsgrade für die Anwenderunternehmen. Ott: „Die Anbieter treiben das SOA-Thema proaktiv, während sich die Kunden durchweg in einer eher pragmatisch-skeptischen Position befinden.“
  • Geschäftsprozessorientierung: Das SOA-Thema sehen die ERP-Anwender laut Fraunhofer-Studie in engem Zusammenhang mit der Prozessmodellierung. „Die Verbindung der Prozesse mit Funktionen schafft aus Sicht der Kunden theoretisch sinnvolle, variable Gestaltungsmöglichkeiten“, weiß Ott. Das Ziel dieser Entwicklung sind letztlich modellgetriebene, paketierte Anwendungen, in denen die expliziten Prozessmodelle vom Quellcode getrennt und somit Adaptionen der ERP-Software ohne den Einsatz technischer Parameter möglich sind, so Gartner-Analyst Christian Hestermann in dem im Dezember 2010 erschienenen Gartners Magic Quadrant for ERP for Product-Centric Midmarket Companies.
  • Softwaremiete statt Kauf: Die meisten produzierenden Unternehmen kaufen ihre ERP-Software nach wie vor. Allerdings steigt laut Gartner die Zahl derer, die die Anwendungen so zu sagen aus der Cloud beziehen. Vor allem solche Unternehmen mit weniger als 250 Millionen Dollar Jahresumsatz und unkomplizierten Integrationsanforderungen ohne kundenspezifische Ansassungen entscheiden sich dafür, die Anwendung nicht mehr selbst zu betreiben.

  • ERP-Fachforum und Live-Vergleich auf der IT & Business

    Im dem an allen drei Messetagen stattfindenden ERP-Fachforum in Halle 5 erhalten Projektleiter Tipps und Tricks aus der Praxis und erfahren, wie sie Stolpersteinen beim Einsatz von ERP-Lösungen aus dem Weg gehen können. Ein Keynote-Vortrag zeigt auf, auf welchem Stand das Thema ERP im Dienstleistungssektor ist, welche Funktionen in dieser Branche von einem ERP-System unbedingt abgedeckt werden sollen und welche Hersteller für diese Branche passende ERP-Produkte im Portfolio haben.
    Im Rahmen des Fachforums erhalten die Messebesucher außerdem eine fundierte Entscheidungshilfe für die Software-Auswahl anhand eines spannenden und informativen Live-Vergleichs von vier verschiedenen ERP-Systemen. Durchgeführt werden sie von der GPS, Gesellschaft zur Prüfung von Software, in Kooperation mit der MQ Result Consulting GmbH. Die Aufgabenstellungen werden dabei an aktuellen Alltagssituationen mittelständischer Fertigungsunternehmen ausgerichtet. Indem die Systeme abwechselnd das vorgegebene Szenario durchlaufen, haben die Zuschauer die Möglichkeit, die Funktionalität der Systeme objektiv miteinander zu vergleichen. Es treten gegeneinander an: SAP ERP gegen Microsoft Dynamics AX sowie Semiramis gegen Asseco.
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